"Jede vierte Person fühlt sich häufig gestresst."
Techniker Krankenkasse (2021)
Der Stress in unserer Gesellschaft steigt stetig an und ist mitverantwortlich für den Anstieg von psychischen Erkrankungen und die damit verbundenen Arbeitsunfähigkeitstage in Deutschland. Besonders dem Arbeitsplatz kommt im Thema “Stress” eine tragende Rolle zu, so die aktuellen Erkenntnisse der großangelegten Stressstudie der Techniker Krankenkasse (TK).
Dieser Artikel hilft zu verstehen, was Stress ist und was ihn verursacht, wie wir merken, dass wir gestresst sind und wie wir effektiv gegen Stress vorgehen können.
Was ist Stress?
Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Stress ein Zustand psychischer Anspannung. Stress ist dabei nicht generell „schlecht”, sondern ein natürlicher menschlicher Seinszustand bei der Begegnung mit Herausforderungen und Bedrohungen. Die Stressreaktion unseres Körpers hilft uns dabei, diese Situationen zu meistern. Doch das Wort „Stress” wird im Volksmund nicht ohne Grund häufig für belastende Situationen in Verbindung mit Hektik, Frust, Ärger, Angst oder Druck verwendet.
„Stress entsteht aus einem komplexen Wechselspiel von Belastungen, ihrer subjektiv wahrgenommenen Bedeutung, der Einschätzung von persönlichen Bewältigungs- möglichkeiten und den jeweils verfügbaren Ressourcen der Person. Wichtige Variablen [...] sind zudem die persönlichen Lebensweisen (Lebenslagen und Lebensphasen; Lebensweisen/Lebensstile)” (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) 2022).
Stress ist also nicht gleich Stress. Um Stress zu verstehen, sind zunächst Stressor (extern) und Stressreaktion (intern) sowie akuter und chronischer Stress zu differenzieren. Verschiedene Reize unterscheiden sich in ihrem Verlauf und ihrer Dauer. Ein Vortrag oder eine temporäre Arbeitsverdichtung sind akut, kurzzeitig und begrenzt; bei anhaltenden Arbeitsüberlastungen wird der Stress chronisch.
Um sich vor einem Stressor zu schützen, reagiert der Körper automatisch und schnell mit einer Immunantwort. Im Gehirn werden verschiedene Prozesse aktiviert, die die Ausschüttung von Hormonen wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol bewirken. Diese versetzen den Körper in Alarmbereitschaft, die Atmung beschleunigt sich und die Pulsfrequenz steigt. Dieser Mechanismus steigert unseren Fokus und unser Durchhaltevermögen. Sobald eine bestimmte Cortisolkonzentration im Blut erreicht wird, verringert der Körper die Produktion dieser Hormone wieder und erholt sich.
Zum Problem wird diese – eigentlich gesunde – Überlebensstrategie dann, wenn wir dauerhaften Stressoren ausgesetzt sind. Die Immunantwort des Körpers wird simultan sowohl unterdrückt als auch verstärkt, wodurch sich ein Erschöpfungszustand einstellt.
Was sind die Ursachen für Stress?
Das Stresslevel, das ein Reiz bei einem Menschen auslöst, ist abhängig von seiner individuellen Bewertung und kann sich von Person zu Person unterscheiden. Dennoch gibt es einige Reize, die von vielen Menschen als stressig erlebt werden.
Die Nr. 1 der Stressoren der Deutschen ist laut TK-Stressstudie (2021) ihre Arbeitsstelle. Generell scheinen Erwerbstätige gestresster zu sein als nicht erwerbstätige Menschen.
Typische Stressoren am Arbeitsplatz sind laut BZgA:
Zu hohe Anforderungen
Zu geringe Kontrollmöglichkeiten
Zu geringe Kompensation (z.B. Lohn, Anerkennung und Arbeitsplatzsicherheit)
Reizüberflutung
Schlafentzug
Zeitdruck
Über- und Unterforderung
Konkurrenz
Zwischenmenschliche Konflikte
Berufseinstiege oder -ausstiege
Rollenkonflikte in Beruf und Familie
Dauerhafte Alltagsprobleme („Daily hassles“) wie Zeitverlust durch Stau
Es gibt verschiedene Modelle, die diese Punkte greifbarer machen. Das Anforderungs-Kontroll-Modell (Karasek und Theorell 1990) legt nahe, dass Stress in der Arbeitswelt bei fehlender Balance zwischen den Anforderungen der Tätigkeit und den Kontrollmöglichkeiten, die eine Person hat, entsteht. Je höher die Anforderungen und je geringer die Kontrollmöglichkeiten sind, desto größer ist der Stress. Mangelnder sozialer Rückhalt verschärft den Stress zusätzlich.
Das Modell der beruflichen Gratifikationskrisen (Siegrist und Dragano 2008) bietet einen weiteren Ansatzpunkt. Zwischenmenschlicher Austausch basiert – auch in der Arbeitswelt – auf gegenseitigem Geben und Nehmen. Erhalten Mitarbeitende für ihre Leistungen und Belastungen keine angemessene Kompensation, z.B. Lohn und Anerkennung, so kommt es zu negativen Gesundheitsfolgen wie Stresszuständen.
Die Stressstudie der TK hebt noch einmal die aktuellen Top Stressverursacher im Job vor: “zu viel Arbeit, Termindruck und Hetze, Unterbrechungen und Störungen, Informationsüberflutung und schlechte Arbeitsplatzbedingungen” (2021). Weil all diese Belastungen in Verbindung mit der Arbeitsgestaltung und -organisation stehen, so die TK, sollte die Stressprävention (noch) stärker an den Arbeitsverhältnissen ansetzen.
Die genannten Punkte und die vorgestellten Modelle können als Anregungen für die Umgestaltung der Mitarbeiterführung und der Arbeitsaufgaben dienen.
Wie merke ich, dass ich gestresst bin?
Reaktionen auf Stressoren variieren von Person zu Person. Sowohl die Symptome als auch die Bewältigungsmuster sind individuell.
Häufige physische und psychische Anzeichen sind u.a.:
Kopf- und andere körperliche Schmerzen
Magenverstimmung
Schlafstörung
Schwierigkeit zu entspannen
Emotionale Verstimmungen wie Unruhe und Reizbarkeit
Konzentrationsschwäche
Appetitlosigkeit oder Heißhunger
Verstärkung bereits vorhandener Gesundheitsprobleme
Das Auftreten oder die Verschlimmerung von mentalen Gesundheitsproblemen wie Erschöpfung, Depressionen und Angstzuständen
Kompensationsverhalten bzw. geringere Widerstandskraft gegenüber Alkohol, Tabak oder anderer Substanzen
Unzufriedenheit mit der Lebenssituation
Wir alle erfahren ein gewisses Maß an Stress in unserem Leben. Doch die Art, wie wir mit ihm umgehen, kann unser Wohlergehen maßgeblich beeinflussen.
Was kann ich gegen Stress tun?
Genauso vielfältig wie die Ursachen für Stress, sollten es auch ihre Lösungen sein. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) betont, dass sowohl Maßnahmen zur Förderung von sozialer Unterstützung als auch von individuellen Bewältigungsmöglichkeiten essentiell sind. Interventionen sind somit erfolgreich, wenn sie strukturelle Förderungen (z.B. Arbeitsplatz- und Arbeitszeitgestaltung) sowie die persönliche Unterstützung beinhalten.
Die BZgA betont, dass auf der individuellen Ebene die Chance genutzt werden sollte, Personen zu ermächtigen, ihre jeweiligen Belastungen eigenständig zu managen. Durch Gesundheitsförderung können Personen befähigt werden, ihre Gesundheit zielgerichtet zu erhalten und zu verbessern. Beispiele sind: die Verhaltensprävention, d.h. das Erwerben vielfältiger Strategien zur Bewältigung ihrer Aufgaben, Aufklärung zu Themen wie Stressmanagement und Entspannung, die persönliche Kompetenzförderung (inklusive Lebenskompetenzen) sowie der Aufbau von unterstützenden sozialen Netzwerken.
Konkreter empfiehlt die WHO den Aufbau einer täglichen Routine. Routinen können uns dabei helfen, die verfügbare Zeit des Tages effizienter zu nutzen und geben uns ein Gefühl der Kontrolle. Routinen müssen dabei nicht kompliziert oder aufwändig sein, im Gegenteil: Realistisch gestaltet und auf unsere individuellen Bedürfnisse angepasst, helfen sie uns dabei, die Komplexität unseres Alltags zu reduzieren und unsere Batterien aufzuladen. Einige Beispiele sind: geplante Zeitfenster für regelmäßige Pausen und Mahlzeiten, für Bewegung und Entspannung sowie für Zeit mit der Familie und Freunden.
Besonders wie wir uns ernähren und bewegen trägt dazu bei, wie fit und gesund wir uns – körperlich und geistig – fühlen. Auch hier ist kein perfekter Plan notwendig. Es genügt, ein paar Gewohnheiten zu etablieren, die es uns ermöglichen, ausreichend Wasser zu trinken, regelmäßig gesunde Mahlzeiten einzunehmen und körperliche Aktivität in unseren Alltag zu integrieren. Bewegung muss dabei nicht immer ein intensives Workout sein, sondern kann ganz flexibel durch einen Spaziergang in der Natur oder eine Yogastunde ausgetauscht werden. Körperliche Aktivität am Tag hilft uns außerdem dabei, abends besser einzuschlafen.
Ausreichender Schlaf ist ein weiteres wichtiges Mittel zur Stressreduktion. Unsere tägliche Routine beginnt also bestenfalls bereits in der Nacht des Vortages. Schlaf spielt eine bedeutsame Rolle in der Regeneration von Körper und Geist und hilft uns dabei, den negativen Auswirkungen von Stress entgegenzuwirken. Die schlechte Nachricht: Sind wir gestresst, fällt es uns oft schwerer, ein- und durchzuschlafen – ein sich verstärkender Teufelskreis. Die gute Nachricht: Durch die Anpassung unserer Schlafgewohnheiten, d.h. der Etablierung einer geeigneten Schlafhygiene, können wir Stress und Schlafmangel entgegenwirken. Diese sollte v.a. konsistent sein, das heißt: Wir sollten jeden Tag ungefähr zur selben Zeit aufstehen und schlafen gehen. Diese Routine kann zusätzlich mit schlaffördernden Gewohnheiten versehen werden, z.B. sollten wenn wir vor dem Schlafengehen auf die Verwendung von elektronischen Geräten verzichten.
Weil besonders der Nachrichten- und Social-Media-Konsum unser Stresslevel steigern kann, empfiehlt die WHO diesen zu limitieren. Persönliche soziale Beziehungen hingegen sind wichtige Stresspuffer. Das Teilen von Gefühlen mit Menschen, denen wir vertrauen, hilft uns dabei, uns gelassener und weniger gestresst zu fühlen.
Während das eigenständige Stressmanagement der Mitarbeitenden ein besonders nachhaltiger Weg zu weniger Stress und mehr Gelassenheit ist, kann nicht erwartet werden, dass jede Person die nötigen Ressourcen dazu besitzt. Besonders Angestellte können sich mit dieser zusätzlichen Verantwortung überfordert fühlen. Um sie dazu zu ermutigen und zu befähigen, können Unternehmen ihren Mitarbeitenden ein individuelles, präventives Coaching ermöglichen, in dem sie von qualifizierten und spezialisierten Coaches an die Hand genommen werden, um ihre Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu erhalten und effektiv zu steigern.
Wichtige Hinweise
Grundlage dieses Artikels sind (zum Zeitpunkt der Erstellung) aktuelle Studien sowie Einschätzungen von Expertinnen und Experten. Der Artikel dient nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung.
Wenn du oder eine angehörige Person von psychischen Leiden oder Suizidgedanken betroffen ist, wende dich für professionelle Hilfe an eine Ärztin / einen Arzt oder an die TelefonSeelsorge® unter der Rufnummer: 08001110111.
Über die Autorin
Jessica Helen Laube ist studierte Politologin und Soziologin sowie ausgebildete Yogalehrerin. Sie kündigte ihren Job als Geschäftsführerin einer Marke in einem aufsteigenden Unternehmen. Der Grund: ihre mentale Gesundheit. Helens Mission bei mellow: Dir dabei zu helfen, rechtzeitig Licht ins Dunkel der mentalen Gesundheit zu bringen und somit deine Persönlichkeits- und Business-Entwicklung nachhaltig zu unterstützen.
Quellen
Ernst, Franke & Franzkowiak in Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) 2022: Stress und Stressbewältigung:
Techniker Krankenkasse (TK) 2021: Entspann dich, Deutschland! – TK-Stressstudie 2021:
Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2023: Stress:
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